Jeans for Jesus


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Was macht eine Mundartband in der Schweiz, wenn die grossen Zeitungen des Landes schreiben, sie habe zwei der besten Mundartpop-Alben aller Zeiten gemacht? Die Konzertsäle voller, die Besucherinnen und Besucher die Songs lauter und lauter mitsingen? Noch näher an den Pop, den Mainstream? Weg von Berndeutsch? Oder doch in die entgegengesetzte Richtung?
Jeans for Jesus machen alles. Mehr Pop, mehr Mainstream, sperriger und nischiger zugleich. Sie machen Schweizer Europapop, Mundart-Weltmusik. Sie machen 19xx2xxx (ausgesprochen: neunzehnhundert zweitausend).

Das dritte Album von Jeans for Jesus ist ein versteinertes Emoji. Ein Versuch auf 16 Songs, sich aus den eigenen gesellschaftlichen und musikalischen Bubbles zu lösen, ehrlich zu sein in Post-Truth, progressiv im Rückzug, innovativ mit Retro-Loops, kleine Tricks in einer grossen popkulturellen Zaubershow, ein Gummiball an die Wand am Ende der Welt der „Truman Show“. 19xx2xxx soll das beste Mundartalbum sein, das nicht mehr Mundart ist.

Die Lieblingsband vieler Lieblingsbands galt dem Schweizer Massengeschmack schon beim Debüt als zu sperrig – "zu viel Kunst für die Schweiz", wie es der CH-Hitproduzent Dodo einst formuliert hatte. Vielleicht, weil sie sich dem einfachen und leicht zugänglichen Aufhänger verwehrten: kein klarer Bandleader, keine Homestories, keine Manifeste, immer mehrdimensionale Messages, post-post-postmodern. Und doch tourten Jeans for Jesus seither durch die Schweiz, freuten sich über ein offenes und stetig wachsendes Publikum - eine der wenigen Konstanten dieser sich stets erneuernden Band: Die ersten Shows ihrer anstehenden Frühlingstour sind ausverkauft. Und nachdem Pedro Lenz der Band in einem Zeitungsartikel angedichtet hatte, sie würde statt in verrauchten Kneipen zu oft im Yoga sitzen, fordert Jeans for Jesus die Mundartszene zum Wetttrinken auf – während die französische Version ihrer ersten Single „1900 quelquechose“ mit Stephan Eicher bereits von Radios in Frankreich gespielt wird.

'Estavayeah' ist der Anfang dieser Geschichte, irgendwo 2013 – die erste Single von Jeans for Jesus. Der zweite geschriebene und veröffentlichte Song überhaupt. Ein unverhoffter Schweizer Hit, von der berühmtesten Sportmoderatorin des Landes auf Twitter verbreitet, an Kunstschulen diskutiert und im Feuilleton erklärt. Von den coolen Kids getanzt und an Provinz-Parties mitgesungen. Diesen Balanceakt sollte fortan das Markenzeichen sein: Die progressivste Band und gleichzeitig Pop. Den schmalen Grat gingen sie auch auf ihrem zweiten Album P R O mit dem bisher grössten Erfolg "Wosch No Chli Blibä".

Das dritte Album, frei vom Druck, das hochgelobte Debut überbieten zu müssen, produzierte sich unterwegs, in engen Städten, unterschiedlichen Ländern, in den Rückzugsorten Bern, Ostermundigen, Paris und Zürich. So entstanden 16 Songs, in der Cloud, synchronisiert in der Dropbox. Ideen, Skizzen, Samples, Sounds, Aufnahmen, die irgendwann einen monumentalen 350 Gigabyte-Projektordner der Notebooks füllte und byte für byte zu 19xx2xxx zusammengefügt wurde. Immer mit dem eigenen Anspruch vor Augen, Pop, Kunst, Musik, Text und Visualisierung zu erschaffen, die fortan als State of the Art gelten soll.

19xx2xxx ist ein digitales Monument. Um nicht unterzugehen. Nicht weggewischt zu werden. Um im 15-Sekunden-Insta-TikTok-Informationszeitalter nicht zu verschwinden.

Um etwas zu erschaffen, das bleiben möchte.